Und immer wieder der gleiche Fehler….

Dieses Umfrageergebnis postete der rbb auf seiner Facebook-Seite. Ein paar Gedanken zu einer nur augenscheinlich harmlosen Umfrage.

Nachfolgend meine ursprünglich auf Facebook gepostete Antwort, die für das Medium natürlich wieder viel zu lang ist:

Ich bin Brandenburger. Dieses Ost-/West-Ding ist so dämlich und unnötig; außerdem überhaupt nicht hilfreich. Klassisch und deutlich länger in Gebrauch war – wenn man denn überhaupt nach Himmelsrichtungen unterteilen möchte – die Betrachtung Nord-/Mitte-/Süd. Diese Unterteilung stammt aus der Jahrhunderte langen vornationalen Zeit und betrachtete Sprach- und Kulturräume aber keinen Gesamtstaat. Erst mit dem nationalen Denken wurde es üblich, in West-/Mitte-/Ost- zu unterteilen. Durch den Kriegsausgang wurde, auch begünstigt durch die Zonengrenzen, die Mitte der nationalen Betrachtung dann zum Osten und wir haben das nach der Wende unüberlegt und unhinterfragt übernommen. Heute haben wir den Salat – weniger im „Ost-West-Problem“, sondern im Fortbestehen des nationalen Denkens, das sich bei zu vielen zu einem ordentlichen Nationalismus/Chauvinismus (zurück)entwickelt hat. Sich darüber zu wundern ist aber ziemlich naiv, wenn man bedenkt, daß selbst jene, die meinen sich dagegen zu wehren, mit Begriffen arbeiten, die von national denkenden Menschen geprägt wurden.

Die „(Reichs-)Deutsche Staatsbürgerschaft“ ist ein Kind des Dritten Reiches und hat sich bis heute gehalten. Davor war man Staatsbürger des föderalen Gliedstaates und hatte darüber auch innerhalb des Reiches alle Rechte. Eine Staatsbürgerschaft auf föderaler Ebene – zumal sie in den deutschen Ländern Tradition hat – würde auch der europäischen Idee wesentlich besser zu Gesicht stehen.

Und überhaupt: „Wiedervereinigung“! – Auch dieser Begriff ist ein Kind der nationalen Mottenkiste. Ein vereinigtes Deutschland hat es vor der „Wiedervereinigung“ gerade mal 74 Jahre gegeben; von 1871 bis 1945. Und die Zeit, in der, technokratisch gesehen, diese (nationale/nationalistische) Einheit am besten funktionierte, waren die 12 furchtbarsten Jahre in der Geschichte der beteiligten „deutschen“ Länder. In den 62 Jahren zuvor ist man beim Versuch „Einheit“ herzustellen kläglich gescheitert. Ein Kaiserreich zerbrach mit dem Ende des 1. Weltkrieges, welcher duch nationalistischen Antrieb aller Beteiligten vom Zaun gebrochen wurde und der anschließende Versuch einer Demokratie in Einheit war aufgrund des daraus folgenden Geburtsfehlers zum Scheitern verurteilt.

Wenn wir Nationalismus wirklich etwas entgegensetzen wollen, könnten wir damit beginnen, Begrifflichkeiten, die ihren Ursprung im nationalen/nationalistischen Denken haben, weniger zu verwenden und auch gar nicht erst zu versuchen, sie mit neuen Inhalten aufzufüllen. Das ist nur alter Wein in neuen Schläuchen und am Ende immer zum Scheitern verurteilt.

Im Falle von Reibungspunkten wird ein Ausgleich zwischen Deutschen, Franzosen, Polen, Italienern immer schwieriger herzustellen sein als z.B. zwischen Rheinländern, Bretonen, Masowiern und Lombarden – am besten noch unter einem europäischen Dach. Der Fehler mag vielleicht auch sein, daß heutzutage zuviele Multiplikatoren „Identität“ für ein nationalistisches Problem halten. Ich meine, daß lediglich die Verankerung von Identität auf der falschen Ebene das Problem darstellt. Menschen brauchen nunmal Identität. Eine „regionale“ Identität ist da deutlich charmanter und kann unter einem Europäischen Dach, welches diese fördert und fordert sogar dafür sorgen, daß man sich mit beidem, seiner Region und Europa gleichermaßen identifiziert. Man muß dafür nur zulassen, daß man Unterschiede erkennnen, benennen und dann natürlich auch gemeinsam feiern darf. … und dies nicht nur in „Deutschland“ sondern in allen großen europäischen Staaten (wer googeln mag: als Anhaltspunkt Staaten auf der statistischen Ebene NUTS-0)

So harmlos die Umfrage wirken mag, sie bedient sich untauglicher Kategorien und schürt das Gegenteil von dem, was man vermeintlich erreichen möchte….. Nationales Denken hatte seine Aufgabe und seine Zeit. Es beendete den Absolutismus und machte tatsächlich auch Demokratisierung möglich. Aber die Zeit des Nationalen war nur recht kurz von Erfolg gekrönt und wurde dann recht schnell problematisch und häßlich. Wenn ein Werkzeug seinen Zweck erfüllt hat, legt man es beiseite und beginnt mit dem nächsten Arbeitsschritt…. das sollten wir auch tun…..

Für uns hieße das: Brandenburger in Europa sein zu wollen. Zusammen mit allen anderen Regionen…..

… nur so eine Idee…. man wird ja mal träumen dürfen….

…. ein Anfang wäre, bei solchen Umfragen zumindest die Möglichkeit der Auswahl einer Kategorie „regionale Identität“ zuzulassen.

Ich wäre nicht überrascht, wenn sich da schon heute ein ordentlicher Anteil an Prozentpunkten sammeln würde, selbst wenn die Entscheidung dafür erst mit der Frage und den Antwortmöglichkeiten getroffen würde.

Oben gestellte Frage ist eben tendenziös und suggestiv, weil sie nicht alle infrage kommenden Antwortmöglichkeiten zuläßt.

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