Geschitsbilder – brandenburgisch vs. deutsch

Am 30. April 1415 wird der Nürnberger Burggraf Friedrich VI. offiziel mit der Mark Brandenburg belehnt und trat nun als Friedrich I. von Brandenburg auf den Plan der Geschichte. Damit verbunden ist die Erzählung einer Erfolgsgeschichte, die aus Brandenburger Sicht aber mehr mit einem Märchen als mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Warum das so ist, soll hier nachfolgend kurz skizziert werden

Das Geschichtsbild, das der Beschreibung der Situation kurz vor Herrschaftsantritt der Hohenzollern zugrunde liegt, ist in der Regel aus der (gesamt)deutschen Perspektive gemalt. Das Brandenburger Geschichtsbild zum gleichen Vorgang sollte ein wenig anders aussehen und daher die Geschehnisse auch etwas anders beschreiben.

Durchgesetzt bzw. mehrheitsfähig in der Betrachtung jener Zeit hat sich die Lesart der Hohenzollern, welche eigentlich erst so Recht als „korrespondierende Propaganda“ zur Legitimation der Kaiserkrone 1871 an Bedeutung gewann. Sämtliche Berichte über den „anarchischen“ märkischen Landadel, der sich widersetzte und das frühe Brandenburg zu einem Paradies für „Raubritter“ werden ließ, basieren auf der Feder eines einzigen Chronisten: Engelbert Wusterwitz. Dieser war ein Parteigänger des Nürnberger Burggrafen Friedrich VI. bzw. gehörte er zum Lager des Markgrafen Sigismund (Luxemburger), der seit 1411 auch König des Heiligen Römischen Reiches war. Daß ein solcher Chronist Geschichte im Sinne seines Lagers beschreibt, liegt auf der Hand. Alle anderen Autoren nach ihm beriefen sich in der Regel unkritisch auf diese Texte. Dabei sollte einen schon verwundern, daß die eine Seite durchweg edel zu sein schien und in den höchsten Tönen glorreiche Attribute zugeschrieben bekam und die andere Seite alles Schlechte auf und in sich vereinte. Und sollte doch mal jemand eine andere Betrachtung anstellen wollen – so zum Beispiel Theodor Fontane – so fand diese nie wirklich Gehör, weil die Konsequenz eine Trübung des hohenzollerschen Selbstverständnisses ergo des Bildes des aktuellen Herrscherhaueses wäre.

Die Situation aus Brandenburger Sicht salopp zusammengefaßt:

Die Luxemburger (sie stellten die Markgrafen seit 1378) hatten seinerzeit herzlich wenig Interesse an Brandenburg, dafür aber ein sehr großes an der einen oder anderen Krone – entweder sie zu erhalten oder zu bekommen. Dafür benötigte man Geld und das bekam man unter anderem durch die Verpfändung oder sogar (?) den Verkauf von Burgen an den märkischen Landadel. Naja, Markgraf Sigismund verpfändete in seiner ersten Amtszeit als Herrscher Brandenburgs (1378-1388) etliche Burgen an den heimischen Adel und am Ende die ganze Mark an seinen Cousin Jobst, um die nötigen Mittel zu bekommen, seine 1387 erworbene ungarische Krone zu erhalten. Jobst selbst wollte gern Römischer König werden und auch dafür brauchte er Geld und saugte die Mark weiterhin aus. 1410 König geworden, starb Jobst kurz darauf und so übernahem Sigismund, der ihm 1411 in der Königswürde nachfolgte im gleichen Jahr auch wieder die Mark als Markgraf. Sigismund hatte nach wie vor kein sonderliches Interesse in der Mark zu herrschen und sah sie nur als Territorium, welchem er Geld abpressen konnte. Ein wenig störend dabei war inzwischen der Brandenburger Adel, der durch die Burgen in Pfandbesitz auch zu einem gewissen Einfluß kam und Mangels übergeordneter Herrschaft selbstverständlich „sein Ding“ machte. Also wurde der Burggraf von Nürnberg als Vasall des Königs, der er ja „nur“ war, ins Brandenburgische geschickt, um die Burgen zu entsetzen. Zu entsetzen? Ja und genau das ist der Punkt! Sigismund hätte auch einfach den Pfand bezahlen können und die Burgen wären wieder seine gewesen. Konnte und/oder wollte er aber nicht. Für weit unter Pfand oder auch für lau sollte der märkische Adel die Burgen herausrücken, daß dies auf wenig Gegenliebe stieß leuchtet sicherlich ein.

Aus deutscher Sicht erzählt sich die Geschichte also wie gehabt. Die ordnungsliebenden Hohenzollern sorgten in Brandneburg für geregelte Verhältnisse und stellten seit dem die Markgrafen, später die preußischen Könige und naheliegend dann auch die neuen deutschen Kaiser. Was für eine Erfolgsstory.

Aus Brandenburger Sicht, und die bevorzuge ich, war Burggraf Friedrich IV. von Nürnberg eigentlich nur eine Art Kettenhund der Luxemburger, zog den Brandenburger Adel über den Tisch und bekam als Dank dafür die Mark und den Markgrafentitel. Aber auch als Friedrich I. kümmerte sich dieser Hohenzoller nach dem eigentlichen Raub der Burgen und der Usurpation Brandenburgs herzlich wenig um die Mark und war hier kaum anzutreffen. Von dieser unschönen Herrschaftsübernahme unbenommen bleiben die durchaus prägenden Erfolge der Nachfolger Friedrich I.

In einer Brandenburger Sicht auf unsere Geschichte sollte auch nicht untergehen, daß die Herrschaft der ursprünglichen Lokatoren, bzw. der Lokatoren, die sich in Brandenburg letztendlich durchgesetzt haben, das eigentliche Brandenburger Herrscherhaus der Askanier, im Jahre 1319/20 endete und Brandenburg seitdem Spielball der Königspolitik war. Dies unterscheidet uns dann durchaus von anderen Teilen des HRR. Wettiner, Wittelsbacher, Württemberger, Obodriten (Mecklenburg) etc. schauen da auf eine deutlich längere Konsistenz ihrer Herrschaft zurück.

Bücher zum Thema, die eine andere Betrachtung dieser Zeit fordern/pflegen:

Clemens Bergstedt – „Die Quitzows im Bild der märkischen Geschichte“

Uwe Michas – „Die Quitzows: Räuber oder Rebellen?“

Und vielleicht ein Link zu einem Artikel zum Thema:

https://www.maz-online.de/…/verdrehte-geschichte-so…

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